Lärm

„Lärm, moderne Folter!“ (Manfred Hinrich, Philosoph und Schriftsteller)

Lärm ist als Einwirkung im Sinne des Umweltschutzrechts und des Nachbarrechts ein zu beurteilender Schall, der von einer Quelle ausgeht (Emission) und am Ort des Einwirkens (Immission) auf Personen oder Sachen trifft. Juristisch wird Lärm nach Quelle (Anlagekategorie), Mess- und Beurteilungsgrössen sowie Zumutbarkeit (Grenzwerte, örtliche Verhältnisse, Zeitlage) eingeordnet. Öffentlich-rechtlich dominieren USG/LSV, die Baulärm-Richtlinie des BAFU und Polizeireglemente der Gemeinden; privatrechtlich greifen die Immissionsregeln des ZGB. Weitere nützliche Links finden Sie hier.

Begriff und Systematik
– Einwirkungen: Lärm gilt als Einwirkung neben Luftverunreinigungen, Erschütterungen etc.; dem Lärm sind Infra- und Ultraschall gleichgestellt. Emission ist der Austritt an der Quelle, Immission die Einwirkung am Ort des Betroffenen (Art. 7 Abs. 1 USG, Art. 7 Abs. 2 USG, Art. 7 Abs. 4 USG).
– Immissionsgrenzwerte: Der Bundesrat legt Grenzwerte fest; sie sollen sicherstellen, dass Immissionen unterhalb der Grenzwerte das Wohlbefinden nicht erheblich stören, wobei empfindliche Personengruppen zu berücksichtigen sind (Art. 13 Abs. 1 USG, Art. 13 Abs. 2 USG, Art. 15 USG).
– Vorsorge- und Verschärfungsprinzip: Emissionen sind an der Quelle zu begrenzen, unabhängig von der bestehenden Belastung so weit, wie technisch/betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar; bei schädlichen oder lästigen Einwirkungen werden Begrenzungen verschärft (Art. 11 Abs. 1 USG, Art. 11 Abs. 2 USG, Art. 11 Abs. 3 USG). Instrumente zur Emissionsbegrenzung sind namentlich Emissionsgrenzwerte, Bau-/Ausrüstungsvorschriften, Verkehrs-/Betriebsvorschriften; sie werden durch Verordnungen bzw. Verfügungen angeordnet (Art. 12 Abs. 1 USG, Art. 12 Abs. 2 USG). Für bewegliche Geräte konkretisiert Art. 4 LSV diese Pflichten (Art. 4 Abs. 1 LSV, Art. 4 Abs. 2 LSV, Art. 4 Abs. 4 LSV).
– Privatrechtliche Einordnung: Nachbarrecht verbietet übermässige Einwirkungen (u.a. Lärm/Schall); verboten sind insbesondere schädliche und nach Lage/Beschaffenheit oder Ortsgebrauch nicht gerechtfertigte Einwirkungen. Damit entstehen Unterlassungs-/Beseitigungs- und ggf. Schadenersatzansprüche, wobei die Übermässigkeit einzelfallbezogen zu beurteilen ist (Art. 684 Abs. 1 ZGB, Art. 684 Abs. 2 ZGB).

Einordnung nach Anlagen- und Lärmarten (LSV)
Die LSV regelt die Ermittlung und Beurteilung von Aussenlärmimmissionen je nach Quelle mittels Belastungsgrenzwerten (Planungswerte, Immissionsgrenzwerte, Alarmwerte) und spezifischen Berechnungsregeln; die Vollzugsbehörde beurteilt danach (Art. 40 Abs. 1 LSV, Art. 40 Abs. 2 LSV, Art. 40 Abs. 3 LSV). Wesentliche Kategorien:

– Strassenverkehrslärm: Anhang 3 mit Planungs-, Immissions- und Alarmwerten differenziert nach Empfindlichkeitsstufen I–IV, Tag/Nacht; kombinierter Beurteilungspegel aus Motorfahrzeug- und Bahnlärm auf Strassen mit definierten Pegelkorrekturen und Verkehrsmengenmethodik (Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV).
– Eisenbahnlärm: Anhang 4; Planungs-/Immissions-/Alarmwerte gleich strukturiert; Beurteilung getrennt für Fahr- und Rangierlärm mit spezifischen Pegelkorrekturen für Häufigkeit/Hörbarkeit von impulshaften/tonhaltigen Ereignissen (Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV).
– Fluglärm ziviler Flugplätze: Anhang 5; verschiedene Beurteilungspegel (Lrk für Kleinluftfahrzeuge, Lrt/Lrn für Gesamtverkehr mit Grossflugzeugen) mit Methodik zur Ermittlung von Flugbewegungszahlen und Pegelkorrekturen; separate Grenzwerte für Helikopterflugplätze in max (Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV).
– Industrie-/Gewerbelärm und gleichgestellte Anlagen: Anhang 6 regelt Lärm von Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft, Umschlag, Betriebsarealverkehr, Parkhäuser/Parkplätze, HLK-Anlagen; Beurteilungspegel wird über Lärmphasen, Mittelungspegel und Pegelkorrekturen für Ton- und Impulsgehalt sowie Dauer berechnet; spezifisch z.B. Luft/Wasser-Wärmepumpen (Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV).
– Zivile Schiessanlagen: Anhang 7; Grenzwerte nach Empfindlichkeitsstufen; Beurteilung über Einzelschusspegel und Pegelkorrektur basierend auf Schiesshalbtagen und Schusszahlen; Sonderregime für öffentliche Anlagen mit sehr tiefem Ki (Art. 40 Abs. 1 anhang 7 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 7 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 7 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 7 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 7 LSV).
– Militärflugplätze: Anhang 8; Zusammenführung militärischem und zivilem Fluglärm mit definierten Pegelkorrekturen und Ermittlung der Flugbewegungszahlen (Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV).
– Militärischer Schiesslärm: Anhang 9 mit eigener Formel über Schallereignispegel, Beurteilungszeit und Korrekturen (Art. 40 Abs. 1 anhang 9 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 9 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 9 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 9 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 9 LSV).

Bewertungskriterien und Messgrössen
– Typische Messgrössen: A‑bewerteter Mittelungspegel Leq, Beurteilungspegel Lr, Pegelkorrekturen für Ton-/Impulsgehalt, Häufigkeit/Hörbarkeit; Zeitliche Differenzierung Tag/Nacht je nach Anhang; Addition mehrerer gleichartiger Quellen (Summation) kann Grenzwerte überschreiten (Art. 40 Abs. 1 LSV, Art. 40 Abs. 2 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV).
– Fehlen spezifischer Grenzwerte: Beurteilung nach Art. 15 USG; heranzuziehen sind u.a. Planungs-/Alarmwerte, Art, Zeitpunkt, Häufigkeit, Lärmtyp, Vorbelastung und besondere Schutzbedürftigkeit; ganzheitliche Einzelfallprüfung (Art. 40 Abs. 3 LSV, Art. 15 USG, OLK, N. 1 zu Art. 15 USG).
– Wahrnehmungsdimensionen: Neben Pegeln berücksichtigt das Recht den Ton- und Impulsgehalt, Ereignisspitzen und Nachtstörungen; Gerichte und Fachstellen stützen sich teils auch auf Belästigungsforschung zur Bewertung nächtlicher Störungen (z.B. Kriterien zu Einschlafstörungen, Aufwecken durch Spitzenpegel), was in der Praxis bei der Interpretation hilft (BGE 126 II 300 E. 4b, AC.2001.0101 23).

Zumutbarkeit und Nachbarrecht (Privatrecht)
– Übermässigkeit: Massstab ist die schädliche oder nicht gerechtfertigte Einwirkung nach Lage/Beschaffenheit/Ortsgebrauch; Lärm ist ausdrücklich genannt. Rechtsfolgen: Unterlassung/Beseitigung, ggf. Schadenersatz. Die Beurteilung ist kontextabhängig; Grenzwerte aus öffentlichem Recht sind nicht automatisch dispositiv, aber stark indiziell für Zumutbarkeit. Das Gericht hat Ermessensspielraum; Ortsgebrauch und konkrete Umstände sind zentral (Art. 684 Abs. 1 ZGB, Art. 684 Abs. 2 ZGB).
– Stockwerkeigentum: Im Rahmen der Sonderrechte dürfen andere nicht beeinträchtigt werden; bei Auslegung wird auf Nachbarrecht verwiesen, sodass auch interne Lärmfragen daran zu messen sind (Art. 712a Abs. 1 ZGB, Art. 712a Abs. 2 ZGB, Art. 712a Abs. 3 ZGB, OLK, N. 1 zu Art. 712a ZGB).

Behördliche Anordnungen und Kostenfolgen
– Sanierungspflichten: Bei ortsfesten Anlagen mit wesentlichem Beitrag zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte ordnet die Vollzugsbehörde Sanierungen an; Vorrang für Massnahmen an der Quelle; Ausnahmen in bestimmten Planungs-/Bausituationen (Art. 13 Abs. 1 LSV, Art. 13 Abs. 2 LSV, Art. 13 Abs. 3 LSV, Art. 13 Abs. 4 LSV).
– Schallschutz an Gebäuden: Bei öffentlichen oder konzessionierten Anlagen und gewährten Erleichterungen können Gebäudeeigentümer zu Fenster-Schalldämmung verpflichtet werden, mit Möglichkeit, alternative bauliche Massnahmen zu treffen; Ausnahmen, wenn keine wahrnehmbare Verbesserung oder überwiegende Schutzinteressen entgegenstehen (Art. 15 Abs. 1 LSV, Art. 15 Abs. 2 LSV, Art. 15 Abs. 3 LSV).
– Kostentragung: Grundsätzlich trägt der Inhaber neuer oder wesentlich geänderter Anlagen die Kosten der Emissionsbegrenzungen; bei Schallschutzmassnahmen an Gebäuden trägt der Anlageninhaber zudem ortsübliche Kosten für Planung, Fensterdämmung etc.; bei mehreren Anlagen werden Kosten entsprechend dem Beitragsanteil aufgeteilt; Unterhalt und Erneuerung der Schallschutzmassnahmen am Gebäude trägt der Gebäudeeigentümer. Für Sanierungen bestehen parallele Regelungen einschliesslich Kostentragung für öffentliche/konzessionierte Anlagen (Art. 11 Abs. 1 LSV, Art. 11 Abs. 2 LSV, Art. 11 Abs. 3 LSV, Art. 11 Abs. 4 LSV, Art. 11 Abs. 5 LSV, Art. 16 Abs. 1 LSV, Art. 16 Abs. 2 LSV, Art. 16 Abs. 3 LSV, Art. 16 Abs. 4 LSV).

Planung
– Für die Planung neuer Bauzonen und den Schutz vor neuen lärmigen ortsfesten Anlagen legt der Bundesrat Planungswerte unterhalb der Immissionsgrenzwerte fest; diese steuern raumplanerische Entscheidungen und Bewilligungsverfahren (Art. 23 USG).

Praktische Einordnung für Mandat
– Schrittweise Analyse:
1) Quelle identifizieren und Anlagentyp zuordnen (Strasse, Bahn, Flugplatz, Industrie/Gewerbe, HLK, Schiessen, Militär). Dadurch bestimmen sich Anhang und Grenzwerte/Methodik (Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 7 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 8 LSV).
2) Immissionssituation ermitteln (Messung/Modellierung Leq/Lr, Zeitfenster Tag/Nacht, Ton-/Impulsgehalt, Verkehrsmengen/Betriebsdaten) nach einschlägiger LSV-Methodik (Art. 40 Abs. 1 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV).
3) Vergleich mit Planungs-, Immissions- und Alarmwerten, inklusive Summation gleichartiger Quellen (Art. 40 Abs. 1 LSV, Art. 40 Abs. 2 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 3 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 4 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 6 LSV, Art. 40 Abs. 1 anhang 5 LSV).
4) Bei fehlenden Grenzwerten: Einzelfallbeurteilung nach Art. 15 USG unter Berücksichtigung Empfindlichkeit, Zeitlage, Häufigkeit, Vorbelastung, Ortsgebrauch und allfälliger Belästigungsindikatoren (Art. 40 Abs. 3 LSV, Art. 15 USG, OLK, N. 1 zu Art. 15 USG).
5) Rechtsfolgen: öffentlich-rechtlich Anträge auf Anordnung von Emissionsbegrenzungen/Sanierung, bzw. Schallschutz; privatrechtlich Ansprüche aus Art. 684 ZGB auf Unterlassung/Beseitigung/Schadenersatz bei übermässiger Einwirkung (Art. 11 Abs. 1 USG, Art. 13 Abs. 1 LSV, Art. 13 Abs. 2 LSV, Art. 13 Abs. 3 LSV, Art. 15 Abs. 1 LSV, Art. 684 Abs. 1 ZGB, Art. 684 Abs. 2 ZGB).
6) Kosten- und Zuständigkeitsfragen früh klären (Anlageninhaber trägt Emissions-/Sanierungskosten; besondere Regeln bei öffentlichen/konzessionierten Anlagen; Verteilung bei mehreren Quellen) (Art. 11 Abs. 1 LSV, Art. 16 Abs. 1 LSV, Art. 16 Abs. 2 LSV, Art. 16 Abs. 3 LSV).

Hinweis zu Spezialbereichen
– Bewegliche Geräte ausserhalb ortsfester Anlagen: Begrenzung durch Bau-/Ausrüstung sowie Verkehrs-/Betriebsvorschriften; Verordnungs- oder Verfügungsweg; Gerichts- und Lehrmeinung betonen die Beschränkung der direkt aus USG ableitbaren Massnahmen auf diese Instrumente (BGE 126 II 300 E. 4b, Art. 12 Abs. 1 USG, Art. 12 Abs. 2 USG, Art. 4 Abs. 1 LSV, Art. 4 Abs. 2 LSV).
– Gleichstellung von Betriebsflächen mit Anlagen: Auch lärmintensive Betriebsbereiche und Verkehrsflächen eines Industriegebäudes sind Anlagen i.S.v. USG/LSV, womit die öffentlich-rechtlichen Lärmvorschriften greifen (Art. 7 Abs. 7 USG, OLK, N. 4 zu Art. 7 USG).

Zusammengefasst: Lärm wird juristisch als (meist schädliche oder lästige) Immission klassifiziert, deren Zulässigkeit anhand quellen- und kontextbezogener Grenzwerte und Kriterien beurteilt wird. Die Steuerung erfolgt primär über öffentlich-rechtliche Emissionsbegrenzungen und Immissionsgrenzwerte (USG/LSV) sowie ergänzend über privatrechtliche Nachbarrechtsansprüche bei übermässiger Einwirkung.